Fahrbericht Kia Stonic 1,0 T-GDI: Noch mehr wäre übertrieben
Der Kia Stonic reitet auf der SUV-Welle, obwohl er auf ihr nichts zu suchen hat. Weder ist er hochbeinig wie viele seiner größeren Brüder, noch hat er einen traktionsspendenden Allradantrieb oder eine überdurchschnittliche Anhängelast. Was also sind die Kaufanreize für den 4,14 Meter langen Viertürer, der zwar seinen technisch verwandten Kollegen Rio um siebeneinhalb Zentimeter in der Länge übertrifft, aber nicht wirklich mehr Platz bietet als der ebenfalls viertürige Kleinwagen?
Da wäre zunächst der Preis, der in dieser Klasse für viele Kunden eine erhebliche Rolle spielt. 16.650 Euro kostete das Einstiegsmodell der Baureihe, dessen in die Jahre gekommenen 1,2-Liter-Vierzylinder und seine 84 PS (62 kW) wollen wir allerdings nicht weiter beachten wollen. Nach dem Facelift im vergangenen Sommer, das vor allem die kräftigeren Antriebe auf Sparkurs bringen sollte, gibt es die Spitzenmodelle des kleinen Koreaners mit einem Mildhybrid-System und 48-Volt-Technik. Hier beginnt die Musik für 19.850 Euro zu spielen, dafür gibt es einen aufgeladenen 1,0-Liter-Dreizylinder mit 120 PS (88 kW). Das Besondere an dieser Variante ist die intelligente Kupplung, die Motor und Getriebe automatisch entkoppelt, wenn die Algorithmen des Bordrechners erkennen, dass der Wagen ausrollt. Nehmen wir es einfach mal vorweg: Das alles funktioniert meist tadellos und höchst charmant, auf den Konsum hat es jedoch keine signifikanten Auswirkungen. Auf unseren meist sehr moderat zurückgelegten Fahrten pendelte sich der Durchschnittsverbrauch bei 5,9 Liter Benzin auf 100 Kilometer ein. Also deutlich mehr, als die 4,5 Liter der Normangabe von Kia.
Farbtupfer tun dem grauen Interieur gut
Die Formen des Stonic sind gefällig, polarisieren kaum. Eher rundlich als scharf geschnitten ist die Karosserie. In einer Zeit, in der vielen Neuerscheinungen Aggressivität ins Kühlerantlitz und die Flanken gehämmert wird, wirkt das angenehm beruhigend. Farbe tut dem Gernegroß jedoch mehr als gut, besonders die Zweitonlackierung, in unserem Fall mit gelbem Blechkleid und glänzend schwarzem Dach, macht die Optik frisch. Auch der Innenraum gewinnt, denn in die sonst eher triste Hartplastikwüste zaubert der gelbe Farbtupfer der Mittelkonsole einen versöhnenden Kontrast. Die Sitze sind in Ordnung, vorn mit gutem Platzangebot, hinten geht es weniger üppig zu. Vor allem die breiten C-Säulen nerven, weil sie den Blick der Rückbankreisenden zur Seite erheblich einschränken. Ballsaalvolumen schafft der Stonic also nicht.
Besonders schwere Anhänger auch nicht, dennoch sind die erlaubten 1110 Kilogramm beachtlich, wiegt doch der kleine Kerl selber unbeladen kaum 1200 Kilogramm. Gängige Größe bietet der Kofferraum, er nimmt 352 bis 1155 Liter auf, im Rio sind es nur rund 30 Liter weniger. Die Ladekante liegt fast 80 Zentimeter hoch, danach geht es wieder 20 Zentimeter nach unten, wenn der variable Kofferraumboden in der niedrigen Position eingelegt wird. Ganz eben ist die Ladefläche nach dem Umklappen der Rücksitzlehnen nicht, was im Alltag jedoch kaum stört.
Assistenz mit Übereifer
Die Bedienung ist einfach. Alle wesentlichen Funktionen lassen sich über Lenkradtasten steuern, das kleine und lederbezogene Volant liegt gut in der Hand, ist allerdings ordentlich mit Schaltern und Tasten bestückt. Immerhin gibt es hier die direkte Wahltaste des Spurassistenten, der sich bei jedem Start erneut aktiviert und mit teils kräftigen und gelegentlich auch unbegründeten Lenkeingriffen irritiert. Diese Unart haben wir bereits im i20 von Hyundai erfahren, dem Mutterhaus von Kia, da wohl offensichtlich die gleiche Technik eingesetzt wird. Die Sensoren interpretieren Fahrbahnmarkierungen immer mal wieder falsch und lassen den vermeintlichen Helfer in unerwünschte Richtungen lenken. Also Daumen für drei Sekunden auf die Taste, dann gibt der Störenfried Ruhe.
Der Motor wird per Knopfdruck gestartet, zuvor müssen der Schalthebel des hinreichend präzisen Sechs-Gang-Getriebes in die Leerlaufposition geschoben und Brems- sowie Kupplungspedal gleichzeitig gedrückt werden. Dies ist der Kupplungsautomatik geschuldet. Der Turbobenziner (einen Diesel gibt es in der Baureihe nicht mehr) nimmt seine Arbeit mit typischem Dreizylinder-Sound auf, spürbare Vibrationen gehören hier zum nicht ganz so guten Ton. Dafür bietet das Maschinchen stattliche 172 Newtonmeter Drehmoment bereits bei 1500 U/min an, die machen dem Stonic ordentlich Beine. Trotzdem vergehen 10,3 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h. Andere können das flinker. 185 km/h Höchstgeschwindigkeit schafft das Mini-SUV, die Geräuschentwicklung vom Abrollen der Reifen, Fahrtwind und Motorbrummen ist dann allerdings auch sehr präsent.
Aber der Geradeauslauf ist gut, bei weniger forschem Tempo auch. Und in Kurven zeigt sich das Fahrwerk von seiner agilen Seite. Die Lenkung arbeitet präzise und mit fein abgestimmter Servounterstützung, die Federung geht als noch komfortabel durch, und die Bremsen verlangen einen ordentlichen Tritt aufs Pedal, wenn Gefahr im Verzug ist, lassen sich in allen anderen Situationen jedoch gut dosieren und zeigen sich standfest. Die Karosserie ebenfalls, sie neigt sich in Kurven maßvoll nach außen, was in schnellen Kombinationen zur Stabilität und Entspannung beiträgt.
Motor aus bei Rückenwind
Die Schaltempfehlung verwirrt gelegentlich, denn obwohl der Motor bei weniger als etwa 1500 U/min klingt, als wolle er sich gleich in nörgelnde Bräsigkeit verabschieden, fordert der kleine grüne Pfeil neben der Schaltanzeige auf, doch noch in eine höhere Übersetzung zu wechseln. Rauheit bei geringen Drehzahlen gehören nun mal zum harten Arbeitsleben der Dreizylinder. Eleganter macht ihre Sache die intelligente Kupplung. Sie ist in der Tat clever und erkennt meist richtig, ob gerade die Motorbremskraft gefragt ist oder ob der Schwung nach dem Gaswegnehmen genutzt werden kann, um antriebslos eine kurze Wegstrecke zurückzulegen. Das ist der Moment, in dem die 48-Volt-Technik gefragt ist, um alle energiebedürftigen Fahrsysteme wie Servolenkung oder Bremskraftverstärker mit ausreichendem Strom zu versorgen. Dann taucht auf dem Instrumentendisplay ein kleines Segelboot auf, das uns immer wieder an die famose Erdumrundung des Hamburger Seglers Boris Hermann erinnert.
Die Ausstattung des Stonic ist sehr ordentlich, vor allem die Version Spirit lässt kaum Wünsche offen. Der 8-Zoll-Touchscreen, Android Auto und Apple Carplay sind zwar ebenso wie Leichtmetallräder, Bluetooth-Freisprecheinrichtung und Klimaanlage schon in der Basisversion an Bord, die schlaueren Assistenzsysteme wie eine Müdigkeitserkennung oder Tempomat gibt es neben vielen anderen Komfortspendern (Lenkrad- und Sitzheizung) aber erst in der Spitzenausstattung Spirit. Die kostet 23.450 Euro, als Extras finden sich nur nach das Navigationssystem für 1190 Euro und die Zweifarblackierung für 880 Euro. Noch mehr Ausstattung wäre übertrieben. Damit wird das Mini-SUV von Kia zum angenehmen Begleiter im Alltag, auch wenn es sich beim Verbrauch und Fahrkomfort kleine Ausrutscher leistet. (ampnet/mk)
Daten Kia Stonic 1,0 T-GDI Ecodynamics Spirit
Länge x Breite x Höhe (m): 4,14 x 1,76 x 1,51
Radstand (m): 2,58
Motor: 3-Zylinder-Benziner, 998 ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 120 PS (88 kW) bei 4500 U/min
Max. Drehmoment: 172 Nm bei 1500-4000 U/min
Antriebsart: Frontantrieb
Übersetzung: 6-Gang-Schaltgetriebe
Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 10,3 Sek.
NEFZ-Durchschnittsverbrauch: 4,5 Liter
Testverbrauch: 5,9 Liter
Effizienzklasse: B
CO2-Emissionen: 111 g/km (Euro 6d)
Leergewicht / Zuladung: min. 1185 kg / max. 455 kg
Anhängelast: 1110 kg
Kofferraumvolumen: 352–1155 Liter
Wendekreis: 11,2 m
Bereifung: 205/55 R 17 V
Tankinhalt: 45 Liter
Garantie: 7 Jahre/150.000 km
Wartungsintervall: 30.000 km
Preis: 23.450 Euro
Testwagenpreis: 25.520 Euro